TEXT: DEU ENG SPAN

Glück

Unser Moment ist jetzt, auf Mallorca, aus vielen Gründen und aus keinem bestimmten. Joana, Susana, Marcelo, Mercedes, Amelia und Olímpia – wir alle können rund um einen Tisch bei Essen und Wein sitzen, während Adela Klavier spielt… Wir reden von unserer Performance in Deutschland. Die Ideen und die Wörter füllen den Raum. Wir wissen nicht, was uns zu denen gemacht hat, die wir sind und nicht zu jemand anderem. Vielleicht haben wir Glück gehabt.

Die Leute kommen in der Galerie an. Schon von der Straße kann man im Schaufenster ein großes Buffet erblicken, dass über üppige mallorquinische Speisen verfügt. Im Innern der Galerie, werden Nummern verteilt (in der Art von Kinoeintrittskarten). Einer der Künstler ruft Zahlen nach dem Zufallsprinzip auf. Wenn eine gezogene Nummer mit einer genannten Zahl übereinstimmt, läßt man den Gast an den Empfangstresen treten. Hinter dem Tresen befindet sich eine schwarzgekleidete Künstlerin (Amelia). Diese stellt dem Gast eine Reihe von Fragen, wie z.B. Vor- und Nachname, Alter, Geschlecht, Kleidergröße, blond, braunhaarig, Tätowierungen, Gewicht (man wiegt sich auf einer Personenwaage, um das Gewicht zu bestätigen). Wenn alles fertig ausgefüllt ist, macht man ein Polaroid-Foto (Marcelo) und der Gast wird an den Tisch geleitet.

Der Raum ist als Speisezimmer mit Tischen in einer Größe von 60x60cm hergerichtet, die elegant mit Besteck, Gläsern und Tischdecke dekoriert sind.

Eine Sängerin, begleitet von einem Klavier, unterhält die Gäste während des Mahls und vier Kellnerinnen kümmern sich im oberen und im unteren Bereich um alle Details. Sie sind mit schwarzen Schürzen bekleidet, auf denen das Logo der Performance in rot gestickt ist.

Der Chef (Joana) wird die Gerichte mit den traditionellen Wurstspezialitäten mit solcher Sorgfalt anrichten, so dass sie sich in Zutaten der Novelle Cuisine verwandeln.

Die Kellnerinnen werden die Teller nach dem Zufallsprinzip an den einzelnen Tischen verteilen. Der Gast setzt sich, wartet auf sein Essen und beobachtet ein beunruhigendes Detail: über dem Tisch gibt es eine Uhr mit Alarmfunktion, die tickt: Einige werden Glück haben, ihnen wird sofort ein großer Teller serviert werden, vielleicht werden sie es nicht mal alles aufessen können. Andere werden weniger Glück haben und sie werden warten und nachdenklich auf die anderen blicken, die essen, bis ihre Stoppuhr schrillt und sie den Raum verlassen müssen, nicht ohne vorher noch mal auf die Waage zu steigen, um zu beweisen, dass ihr Gewicht nicht gestiegen ist.

Die Reste des Essens werden in einem Plastikbeutel mit Reissverschluss gefüllt. Auch die Nummernkarten der Gäste werden hinzugefügt, so dass man abschätzen kann, wieviele es getroffen hat, üppig zu leben und wieviele es getroffen hat, den anderen beim Essen zuzuschauen und dabei hungrig zu sein. Die Beutel werden an zwei gespannten Stahlkabeln im hinteren Raum aufgehängt.

Die Aktion dauert ca. zwei Stunden.

Im Raum befinden sich: der Empfangstresen mit der Waage und den Nummernkarten, die zehn vorbereiteten Tische, das Piano, das Buffet im Schaufenster. Im hinteren Raum: die Kabel mit den Tellern und den Karten in den Beuteln.

Besetzung:

Rezeptionistin: Amelia Llop

Fotograf-Saaldiener: Marcelo Víquez

Kellnerinnen: Olimpia Velasco, Susana Muñiz, Cristina Verger und Mercedes Estarellas.

Chef: Joana Roig

Sängerin: Adela Ferrer

Glück

Spiegel der Welt

Das ist der Stand der Dinge, der bekannten existentiellen Frage: “Warum hier?” Vielleicht  Glückssache, vielleicht Zufall... An die Vorsehung glauben wir lieber nicht. In diessen Zeiten des Post-, des Pos- haben wir uns wenigstens von der Romantik befreit (es gibt keine einzige Liebe, Keinen einzingen Gott... wir sind nicht einzigartig...)

Das Glück (1) ist für alle oder für niemandem da... es verteilt sich nach einer zufallsabhängigen Verkettung von Umständen und es ist demokratisch, oder nicht? Ziehen wir den batailleschen Willen zur Chance zur Hilfe:

“Heute morgen hatte ich mich ins warten gefügt. Keine Erschütterung, ganz leicht habe ich mich entschieden... Es war natürlich nicht sehr vernünftig. Aber ich ging mit dem Gefühl, Glück zu haben.

Das gesuchte Glück kam mir entgegen. Sehr viel mehr, als ich gehofft hatte.

Der Horizont  Klärt auf (bleibt aber düster).

Das Warten verkürzt sich von zehn Tagen auf sechs.

Das Spiel läuft: Vielleicht habe ich heute richtig gesetzt...”

Der Zufall ist wissenschaftlicher, lässt  sich zwingend in den Augenblick fallen wie ein Lebenshauch, schafft Welten, lässt Zeiten entstehen, erzeugt Leben...  und als wäre es nichts, vernichtet er in einem plötzlichen Tod das, was er in Bewegung gesetzt hat. Aber: Er kann an verschiedenen Stellen gleichzeitig auftreten und verschiedene Horizonte zusammensetzen, verschiedene Zeiten prägen, ganz willkürlich...

Was Glück und Zufall gemeinsam haben, ist die Zeit... ein Spiel von Kräften, die sich bis ins Unendliche wiederholen, ohne Ursache, ein regelloses Spiel, eine zufallsabhängige Notwendigkeit, die vom Chaos abhängige Räume und Bedeutungen schafft, Leben, die mit dem Tod enden.

Wir haben auf  jeden Fall Glück gehabt. Wovon hängt es ab? Von einem Gefälle, von allem oder nichts... ewing werden wir es in Frage stellen... und unablässing werden wir neue Utopien neu erfinden

Uns wurde immer gesagt: Das Schicksal wird euch die Richtung eures Wünschens zeigen. Wir wiederholen es nochmals. Weder Gott, noch ein Märchenprinz noch die Frau unserer Traüme- ein genauer Zeitpunkt, glücklich oder unglücklich. Der richtige oder der falsche Ort. Niemand bestimmt es. Wir sind Keine Wahrsager. Entschuldigung, vielleicht ja die Plancksche Konstante: h=6,626... Man sagt von ihr, dass sie “zwar eine nicht sehr übliche Denkweise darstellt, aber Shönheit besitzt, weil wir mit nur einem wesentlichen dimensionalen Parameter ungefähr die ergebnisse von etwas, das sehr komplexe phänomene beinhalten kann, berechnen und in einer einzigen Menge ausdrücken Können.”

                                                                                   Evelia Muñiz

                                                                                   (filósofa)

  • Anm. d. Übers. Suerte = Glück als positiver Zufall oder (un)verdienter positiver Umstand, im Sinne von, “Glück haben”.