Text in English soon

LOST ON TRANSLATION ist eine Studie im Format einer Nacht-
Ausstellung / Datenlounge . In einem definierten Interface-Setting
sind Komponisten, Künstler und Theoretiker eingeladen den Datensatz
meiner RAWextension f5. zu recodieren und rekontextualisieren.
1954 entsteht im Kölner Studio des WDR die studie 2 von Karlheinz
Stockhausen. In ihr überführt der Komponist die serielle
Kompositionstechnik „stringend“ in die elektronische Klangerzeugung
im Rahmen seiner technischen Möglichkeiten und seiner künstlerischen
Setzungen. Grundelement ist der Sinuston; alle Parameter werden aus
der 25. Wurzel aus 5 abgeleitet. Das "Orginal" ist ein Tonband, die
nachher entstandene graphische Partitur - Übersetzung - der Versuch
die Musik visuell und damit auch strukturell nachvollziehbar zu
machen. Heute liegt die Studie2 digitalisiert auf CD vor und damit
als tausendfaches Original.
Diese Datenmenge habe ich genommen, den Kopf entfernt und optisch um
Faktor5 interpoliert. Durch diesen operationalen Akt bleibt die
serielle Struktur erhalten. Die daraus resultierende RAW-Datei ist
innerhalb von sonArc::ion - prologue als Video, mono-Klang, sowie als
statisches Bild und in Schriftzeichen gelesen worden. Als flickernde
Streifenraster synchron zu akustischen Analogwandlung und den
Buchstabenketten des Hexsatzes werden die Daten im Raum wahrnehmbar.
Es entsteht eine multimediale / synästhetische Raum-Klang-Komposition
in Tradition der klassischen Moderne - hochaufgelöst aber minimal:
schwarz/weiß und mono.
Im nächsten Schritt dieses transitorische Werk für eine weiterer
Übersetzung und Interpretation bereitzustellen scheint nur
konsequent.“from language to codes, from science to technology,from
subjectivity to objectivity, from agreement to war, from private to
public, from semiology to cryptologyThe role of translation/
translators as a visible/invisible fact” , schreibt Montadas zu einer
Reihe von Arbeiten - "On Translation".
Gerade nachdem ich diese Zeilen beendet hatte, ging ich in die Küche
und stellte das Licht an. die Glühbirne in der Küchenlampe flackerte
leicht bevor sie ein helles, changierendes Tönen mit gedämpfterem
Licht überging durch den halbrunden Lampenschirm aus Aluminium noch
verstärkt. Ich begann sie leicht an zu stoßen, was das hochtönige
Flirren beeinflußte. Es erklang eben nicht der brummende Netzton von
50Hz und ich hatte keine Idee warum die Wendel so klar tönte. So ging
ich zum Lichtschalter und wollte sie kurzzeitig aus und dann wieder
anschalten. Als ich den Schalter wieder runterkippte war die Birne
tot - das war am 4. April 2006 gegen 1.50 Uhr.
Da man mathematisch jede Wellenform in der Furriertransformation
betrachten kann als eine Überlagerungssumme aus n Wellen, die eine
Sinusfunktion abbilden, so liegt die Überlegung nahe, aus der
Überlagerung von n Sinusschwingungen jeden erdenklichen Klang
erzeugen zu können. Ist die Sinusschwingung als Grundform oder
obertonloser "Ton" auf der einen Seite eines Spektrum, so liegt das
weiße Rauschen auf der Anderen = ein schier endloses Meer von
Knacksen; Knackse und Rauschen - der Kürzeste Impuls und das
komplexe Feld verschiedenster Knackse. Ein wesentlicher Unterschied
zwischen analogen und digitalen Medien ist, das die Auflösung der
Analogen im Material liegt also diskret und zugleich unbekannt ist,
während wir die Auflösung im Digitalen stets kennen. So ist ein Punkt
der digitalen Abbildung einer akustischen Welle ein spezifischer
Knacks. Aus einem quasi Morsecode aus ja-nein-Informationen in einer
bestimmten Zeit entstehen die quantisierten Abbilder vermessener
Zustände. Die Sinuskurve ist nur ein artifizieller Ausnahmezustand.
Ändert man den Code während des Schreibens oder Lesens so entstehen
Knackse und Rauschen als informationtechnische Störungen und doch
zugleich Wesenselemente der Matrix und ihres
physikalischenTransformationen. Ein digitaler Knacks läßt die
elektromagnetisch bewegte Menbran in ihren mechanischen Grenzen
anschlagen und in der Eigenresonanz des Systems ausschwingen. - die
Kette der elektrisch, mechanischen Wandlung wird hörbar – optisch:
jedes Frame innerhalb der möglichen Abspielfrequenz kann völlig
verschieden sein, so dass unser Gehirn nur noch Schattengestalten
“sieht” – creiert.
„Die Freiheit und Autonomie, in die die elektronischen Mittel dank
ihrer restlosen Subsumtion unter das serielle Denken geraten, ist
soziologisch gesehen der objektive Schein, der den Vermittler jener
gesellschaftlichen Vermittler zukommt, die sich unter der Fesselung
elektronischer Möglichkeiten durch die Ideologie des formalistischen
Avantgardismus herausbilden. (...) Die Dialektik kompositorischer
Verfügungsgewalt besteht also nicht einfach im Widerspruch zwischen
kompositionstechnischer Allmacht und gesellschaftlicher Ohnmacht des
Komponisten, sondern in der Tatsache, das Kunst immanent zur Lösung
dieses immanenten Widerspruchs nicht fähig ist. Die Prädikate
„gültig“ und „groß“ werden zwar noch heute vergeben und scheinen auf
Transzendenz abzuzielen." (Wolfgang Martin Stroh, 1974)
Die RAWextension als eben Datensatz losgelöstvon dem, was sie
numerisch abbildet, ist und damit Entität – eine Zahlenreihe und als
solche auch vergleichbar dem “organlosen Körper” Guitttari und
Deleuzes. Die Datenreihe ist möglich Partitur – Notation =
Niederschrift, statisches Bild und Prozeß. Sie ist endlich und ohne
ihren Kopf der den Code trägt doch geformt ungeformt.
Löst man Musik vom Prozess ses Hörens einmal los, so ist sie eine
Gestalt geformter Luftdruckschwankungen, ihre Substanz die Bewegung
von Gasmolekülen über ihre Eigenbewegung hinaus und dann doch wieder
in einer bestimmten Bandbreite, was sie eben in ihrem Wesen nicht vom
Prozess des Hörens trennen läßt. Und auch die Modelle einer nur
lesbaren oder weiter “denkbaren” Musik verlängern die Bedingheiten
des Hörbaren.

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Jan-Peter E.R. Sonntag
studio@sonntag3000.com