Naturschönscheit

Ken Schluchtmann

Kurator Noam Braslavsky

„Der Theorie ist das Naturschöne, an das noch die durchdringendsten Bestimmungen der Kritik der Urteilskraft sich hefteten, kaum mehr thematisch. Schwerlich jedoch deshalb, weil es nach Hegels Lehre, tatsächlich in einem Höherem aufgehoben wäre: es wurde verdrängt. Der Begriff des Naturschönen rührt an eine Wunde, und wenig fehlt, daß man sie mit der Gewalt zusammendenkt, die das Kunstwerk, reines Artefakt, dem Naturwüchsigen schlägt. Ganz und gar vom Menschen gemacht, steht es seinem Anschein nach nicht Gemachtem, der Natur, gegenüber.“
(Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie)

Die Fotografien von Ken Schluchtmann haben nicht nur eine außergewöhnlich hohe Qualität, sie bestechen durch ihre nahezu unnatürliche Darstellung der Stille und Verginilität der Natur. Er macht sich auf, die letzten unzivilisierten, unberührten Enden der Welt zu finden und in atemberaubenden Naturdestillaten festzuhalten. Mit dieser Überkonzentration der reinen Natur in seinen fotografischen Werken konfrontiert er uns nicht nur mit dem für den zivilisierten Menschen zu unproblematischen ‚Naturschönen’, sondern er erstellt so ein unwiderbringliches Archiv der letzten Evidenz vom Vortod der Natur.

Das hat den Kurator der GdK Galerie der Künste, Noam Braslavsky, gereizt, sich mit den Arbeiten des Fotografen auseinanderzusetzen und diese ästhetisierte Reinheit zu beflecken: Er hinterlässt genau dort die kodierten Spuren der Menschheit. Jede der großformatigen Fotografien trägt so fast unsichtbar, mikroskopisch klein und mit bloßem Auge beinah nicht wahrnehmbar die zivilen Zeichen der menschlichen Existenz.

Der Betrachter ist so aufgefordert diese Spuren mit einer Lupe zu suchen und auf den Fotografien zu verfolgen. Jede der minimalen Veränderungen auf den Bildern steht immer in Zusammenhang mit der dargestellten Landschaft. Er bekommt auf diese Weise eine neuartige Kodierung des abgebildeten Fragments der Natur.

Diese unverschämte Intervention des Kurators in das Werk des Dokumentators gleicht der Einmischung des Menschen in das Werk des Schöpfers. Ken Schluchtmann interpretiert die Natur nicht, er attestiert sie. Der Kurator Noam Braslavsky dagegen hat diese Bestätigung der Natur durch seine eigene Interpretation verformt: das Reine bleibt nicht unberührt.

Die Ausstellung „Naturschöne“ ist ein Dialog zwischen Schluchtmann und Braslavsky, zwischen Natur und Kunst und soll den Betrachter dazu bringen sich mit diesem schon uralten, aber niemals endenden Diskurs zu messen.

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Ken Schluchtmann, 1970 geboren, hat von 1992-1998 Rechtswissenschaften in Hannover studiert, anschließend hat er eine Ausbildung zum fotodesigner am Lette-Verein in Berlin absolviert und arbeitet seit 1998 u.a. als Fotograf. 2001 leitete er die Ausstellung „diephotodesigner.de – spektrum“.